Patrik H. Feltes

Das Wappen des Abtes Peter Schmidt
Petrus Schmidt / Pierre Schmidt

Erläuterungen, Rekonstruktion und Besonderheiten

Anders als bei allen seinen Vorgängern haben wir lediglich Kunde über das Wappen von Abt Pierre Schmidt aus Lisdorf über die erhaltene Druckschrift, die nach der 1778 erfolgten Abtswahl zur Benediction am 18. April 1779 erschien, bei der im Rahmen eines Pontificalamtes in der neuen unter Abt Stein erbauten barocken Klosterkirche der Lisdorfer Peter Schmidt zum vorletzten Abt von Wadgassen geweiht wurde. Abt Schmidt ist der erste gewählte Wadgasser Abt nach dem Übergang des Gebietes der Abtei Wadgassen an Frankreich im Jahre 1766 und 1768. Nach den in der Bockenheimer Vereinbarung durchgeführten Gebietstauschen zwischen dem Fürstentum von Nassau-Saarbrücken und dem Königkreich Frankreich gehörte die Abtei Wadgassen nun als französische Abtei zur lothringischen Circarie, verfügte aber weiterhin über bedeutende verbriefte Besitzungen auf dem Boden des heiligen Römischen Reiches, die von Bous, Merzig und Ensheim aus verwaltet wurden. Anders als bei der ausführlicheren Beschreibung des Wappens von Abt Michael Stein auf diesen Seiten zu sehen war, können wir unsere Rekonstruktion dieses Abtswappens lediglich anhand der Abbildung in der genannten Druckschrift vornehmen, deren Schraffuren zudem  sehr undeutlich zu erkennen sind, wie nachfolgende vergrößerte Wiedergabe dieser Darstellung zu zeigen versucht.

Vergrößerte Darstellung des Abtswappens von Peter Schmidt, wie es innerhalb der überlieferten
Festschrift (Rückseite des untan gezeigten Tigelblattes) anläßlich seiner Wahl zum Wadgasser Abt  überliefert ist

Hier ist zusätzlich noch erwähnenswert, daß der Titel der Festschrift keine eigene Jubelaussage zur Abtswahl zum Ausdruck bringt, wie es bei den Äbten Stein (Lapis Mysticus) und Mertz (Triumphus Congratulatorius triplex) macht, sondern 'Wadgassen'  in den Vordergrund stellt, indem die barocke Titelseite mit Wadegotia beginnt, wie nachfolgende verkleinerte Abbildung zeigen kann. Dies läßt sich einigermaßen nachvollziehbar mit der neuen politischen und geopolitischen Situation der Abtei nach 1766/68 begründen: In außergewöhnlicher Weise hatte sich ihre Situation durch den Bockenheimer Vertrag geändert. Der Austauschvertrag zwischen Nassau-Saarbrücken und Frankreich brachte einerseits ein Ende der immer wieder neu aufflammenden Rechtsstreitigkeiten zwischen dem katholischen Wadgassen und dem protestantischen Saarbrücken: Als Abtei nunmehr unter der katholischen französischen Krone und Teil einer französischen Ordensprovinz brauchte sie jetzt solcherlei Angriffe nicht mehr zu befürchten. Als eine Art Präzedenzfall  für eine ungewöhnliche und grenzbedingte Umsetzung dieses Gebietstausches muß jedoch gelten, daß in den genannten Tauschverträgen die Rechte des Wadgasser Klosters auf Reichsgebiet ebenfalls erhalten blieben. Schmidt konnte also völlig folgerichtig 'Wadegotia' in den Vordergrund stellen - waren die rechtlichen Bedingungen doch nie so klar geregelt und konnte sich die Abtei mehr als zuvor als Inhaber eines frühen Beispieles einer Mittlerrolle zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich verstehen, was freilich nicht helfen konnte, daß zu Beginn der Jakobinerherrschaft die letzte noch in Betrieb befindliche Abtei auf französischem Boden aufgelöst wurde.

Verkleinerte Darstellung der Titelseite der Festschrift, die in gedruckter Form anläßlich der Benediction von
Peter Schnmidt zum Abt der Prämonstratenserabtei Wadgassen im Jahre 1779 erschienen ist

Trotz der schlecht überlieferten Schraffuren war es möglich, unten angezeigte digitale Rekonstruktion dieses Abtswappens vorzuschlagen, die dem Original sehr nahe kommen sollte. Hierbei wurde vor allem zugrunde gelegt, daß man sich gerade innerhalb der kirchlichen Heraldik mitunter nicht zwingend an existierende Regeln bei der Farbgebung und den einzelnen Wappensymbolen gehalten hat. Daher ist zu erklären, daß es für die Tingierung der Felder des Hauptschildes ein Nebeneinander zweier Farben für den Hintergrund gibt, die eindeutig der heraldischen Regel, daß immer Metall neben/auf Farbe zu stehen haben, widersprechen. Nimmt man jedoch einen nicht abwegigen Bezug zu den während des Kirchenjahres verwendeten liturgischen Farben an, so läßt sich das Nebeneinander von Purpur und Rot schon eher verständlich erklären. Rot symbilisiert demnach als Farbe der Liebe, Feuer und Blut Leben und die Kraft des Geistes, Attribute, die dich der frisch gewählte Abt gerne zu Eigen machen wollte. Purpur wäre am ehesten mit dem liturgischen Violett gleichzusetzen, das für Buße und Vergebung steht und ebenfalls in Bezug zu den Wappengegenständen gesehen werden kann. So sind die dargestellten Wappenstücke Teil dieses Bildprogramms. Gekreuzte Lilienstengel, das Lamm, die Hand sind allesamt sinnhafte Symbole mit deutlichem Bezug zur christilichen Bildsprache. Daher wird hier unten beigegebene digitale Version einer colorierten Darstellung des Schmidt'schen Abtswappens vorgeschlagen, auf der die einzelnen Elemente entsprechend deutlich erkennbar gemacht sind. Ähnlich der bereits erwähnten beiden überlieferten Festschriften zur Abtswahl der beiden Vorgängeräbte Stein und Mertz erläutern auch hier lateinische Beschreibungen die Symbole des Wappens, die hier jedoch ganz im Zeichen einer eher aufgeklärten und zugleich nüchterneren Darstellung fein und sachlich formuliert sind und dabei auch ohne die sonst bei den Prämonstratensern so beliebten Chronogramme auskommen, gleichwohl immernoch die mythologisch-symbolischen Ideenwelten des Spätbarock und der christlichen Ikonographie klar reminiszieren.

 

 Colorierte Darstellung des Wappens von Abt Petrus Schmidt / Pierre Schmidt
(Regierungszeit als Abt 1778-1783)

Bevor hier näher auf die einzelnen Details dieses schön gestalteten Abtswappens eingegangen werden soll, noch einige Bemerkungen zur äußeren Gestalt und der Formgebung. Der ovale Schild ist eine typische stilisierte Schildform des Barock, die wir bereits Bei den Vorgänger Äbten Mertz und Stein vorgefunden haben und auch bei einigen weiteren Klosterleitern davor Verwendung gefunden haben. Interessant bei dem Schmidt'schen Wappen ist die Tatsache, daß die Randgestaltung des Schildes fast ganz einer floralen Ausgestaltung gewichen ist. Ein Muschelelement am oberen Ende des Schildes und eine noch an ein geschwungenes Band erinnernde spiral auslaufende Form  naxh links und rechts dient dazu, Mitra und Krummstab dem  eigentlichen Wappenbild sinnfällig zuzuführen. Zwei Tulpenblüten-Girlanden umfassen den Schild und schließen diesen wie einen angedeuteten Wappenmantel nach außen hin ab. Ein floral gestaltetes 'W 'steht am Fuße des Schildes natürlich  für Wadgassen / Wadegotia, als dem Ort der Klosterzentrale und dem Sitz des neu gewählten Abtes. 
Die in lateinicher Sprache abgefaßten Erläuterungen gliedern sich in drei kurze Abschnitte, bei denen es darum geht, die Wappensymbole des Lammes, der Lilien und der Hand näher zu erläutern. Der erste Abschnitt beginnt daher mit einer Gleichsetzung von Jesus Christus mit dem Lamm, das seinerseits mit Abt Peter (Petrus) Schmidt in Bezug gesetzt wird:

AD AGNUM
Cernis in ABBATIS gradientem insignibus agnum
Qvam pius & mitis fit PETRUS iste monet

In unserer Übersetzung wird die Bezugnahme unmittelbar klar: Zum LAMM | Du siehst unter den Zeichen des ABTES ein gehendes Lamm | Dieses mahnt, daß PETRUS ebenso fromm und sanft sein solle. Der neugewählte Abt soll voranschreiten und wird mit dem Christus-symbol schlechthin als oberster Herr des Wadgasser Klosters gleichgesetzt. In der Forderung, daß Petrus (d.i. Petrus Schmidt) ebenso fromm und sanft sein solle, kommen klar die Rechte und auch die Pflichten des zukünftigen Klostervorstehers, der seit Abt Johann Adami im Range eines Bischofs firmierte, zum Ausdruck. Weiters ist hier auch die seit der ründung Wadgassens festgeschriebene demokratische Dimension der Abtwahl durch die Brüder enthalten, die der Gemeinschaft eine bestimmte Macht zugesteht und die mehrfach in früheren Zeiten zur Aufstellung von Statuten durch die Gemeinschaft geführt hat, die verhindern wollten, daß der Abt selbstgefällige Entscheidungen mitunter auch gegen die Gemeinschaft treffen sollte. Als nächstes wird Bezug zu den Lilien genommen:

AD LILIA
Candida petrinis qvae crescunt Lilia signis

Candorem morum qvos imitere docent

Die Lilie ist ohne Zweifel das am meisten vielschichtige Symbol mit Bezug zum Wadgasser Kloster. Das überlieferte Gründungswappen erwähnt und zeigt bereits die Lilie, die nicht nur als Wappenbild des Prämonstratenserordens gilt, sondern auch ganz unprätentiös auch auf Wadgassen und seine wasserreiche Gegend verweist, in der Lilien natürlich vorkommen. Immerhin verwenden mehrere Äbte, deren Wappen als gesichert gelten können, die Lilie als vielsagendes Wappenmotiv. Verdeutscht lautet der Kommentar der Subscriptio nun fiolgendermaßen: Zu der(n) LILIE(N) | Die strahlenden Lilien, die im Zeichen des Petrus wachsen | lehren die Reinheit der Sitten, die sie nachahmen. Als Symbol für die Heilige Maria und deren Reinheit, aber auch für den Prämonstratenserorden lassen sich die gleich mehrfach dargestellten Lilien als Vervielfachung des Wunsches deuten, daß der neu gewählte Abt seiner Aufgabe, über die Reinheit der Sitten zu wachen, gleich mehrfach gerecht werden solle. Der Herzschild mit der erhobenen rechten Hand - die nur unzulänglich überlieferte Abbildung läßt nicht eindeutig erkennen, ob es sich um eine segnende oder um eine schwörende Hand handelt - stellt dieses Wappenelement besonders in den Vordergrund. Hieraus läßt sich auch die Wichtigkeit interpretieren, die mit der Symbolik dieses Wappenstückes verbunden werden will. Nachfolgend auch hier zunächst der lateinische Text:

AD MANUM ERECTAM, ET EPERTAM
Qvid sibi vult erecta manus, qvam cernis apertam?
Haec recta factis praemia larga dabit.
Haec veluti pleno Dea felix copia cornu

Temporibus nostris aurea saecula feret

Verdeutscht läßt sich das folgendermaßen wiedergeben: ZU DER ERHOBENEN UND OFFENEN HAND | Was will die erhobene Hand, die Du hier offen siehest? | Diese Rechte wird reichlichen Lohn für Taten geben. | Sie wird - wie die Glücksgöttin Güter aus dem Füllhorn - | Goldene Zeitalter für unsere Zeiten bringen. Wie hierbei deutlich zu erkennen ist, legt die Subscriptio für dieses Wappenstück den Schwerpunkt auf den Aspekt der Rechtschaffenheit, aus der allein es reichlichen Lohn für Taten geben wird. Interessant und zugleich ungewöhnlich der Nachsatz, der ganz im Sinne spätbarocker Antiken-Rezeption die offene Hand mit dem Füllhorn der Glücksgöttin vergleicht, aus der goldene Zeitalter sich ergießen mögen. Das Ermahnende und zugleich goldene Zukunft Ausstreuende ist leicht als wohlwollender Blick in eine glückliche Regentschaft des neu gewählten Abtes zu deuten, dessen leider nur sehr kurze Amtszeit jäh vom plötzlichen Tod Petrus Schmidts beendet wurde. Seiner Neigung zu aufklärerischen Ideen auch im Umgang mit seinen Untertanen ist es zu verdanken, daß sich unter seiner Herrschaft in Ensheim und später der gesamten Umgebung die Produktion der 'Wadgasser Klosterdosen' - ihre Herstellung zunächst aus Holz, dann aus Papier war bereits unter seinem Vorgänger Abt Michael Stein begonnen worden - als ein frühes Beispiel für neuzeitliches Unternehmertum in unserer Region entwickeln konnte, als erseinem Ensheimer Müller Räumlichkeiten innerhalb der Ensheimer Probsteigebäude  zur Verfügung stellte.

 
 
 

 

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